Beschluss: Zur Kenntnis genommen

Grund (Anlass) der Behandlung:

 

Mit Schreiben vom 27.04.2023 stellte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine Anfrage zum aktuellen Stand im Hinblick auf die Almwirtschaft und die Wolfpopulation im Landkreis.

 

Der aktuelle Stand und die gestellten Fragen sollen im Folgenden in der Kreistagssitzung beantwortet werden.

 

 

Sachverhalt:

 

In den Jahren 2020 und 2021 gab es nur vereinzelt Hinweise auf durchziehende Wölfe (2020 ein Wildtierriss und 2 Fotos, 2021 1 Foto) im Landkreis Garmisch-Partenkirchen.

 

2022 wurden vermehrt Risse und Sichtungen (meist per Foto) gemeldet.

Es kam zu Nutztierrissen auf 5 verschiedenen Almen im Landkreis. Seit dem zweiten Halbjahr 2022 ist ein standorttreues Pärchen westlich des Staffelsees bestätigt.

Risse gab es auch Ende 2022 im Bereich Unterammergau und in Obernach bei Wallgau. Brennpunkt war eindeutig der Bereich Unterammergau-Kohlgrub, wo bis ins Frühjahr 2023 die meisten Wolfsrisse an Wildtieren festgestellt wurden.

 

Genetisch wurden in den letzten 6 Monaten 4 verschiedene Wölfe nachgewiesen. Diese sind verantwortlich für genetisch nachgewiesene 15 Risse an Rotwild und einem Biber. 3 Proben befinden sich noch in Bearbeitung. Weitere 10 Risse sind sehr wahrscheinlich, eine Auswertung war aber nicht möglich. Wir gehen aber von vielen nicht endeckten weiteren Wildtierrissen aus.

 

Im Jahr 2022 kamen ca. 35 Schafe durch Rissereignisse entweder unmittelbar oder mittelbar um oder abhanden. Teilweise sind die Schafe aufgrund eines Rissereignisses nicht mehr auffindbar.

 

Im Landratsamt besteht seit 2020 eine „Kontaktgruppe große Beutegreifer“ mit Vertretern des Landratsamtes, der Land- und Almwirtschaft, des Naturschutzes, des Tierschutzes, der Jägerschaft, an welcher auch Vertreter des Umweltministeriums und des LfU teilgenommen haben. Diese Gruppe steht auch außerhalb der Sitzungen in regem Austausch untereinander.

 

Nach dem Austrieb der Nutztiere auf die Heimweiden und später auf die Almen sind jetzt auch wieder Nutztierrisse zu befürchten.

 

Am 08.03.2023 wurde deshalb ein Antrag auf Einrichtung eines Weideschutzgebietes und Wolfsentnahme bei der Höheren Naturschutzbehörde gestellt. Der Antrag bezieht sich auf sämtliche Weideflächen im Landkreis, die im landwirtschaftlichen Fördersystem so codiert sind. Über den Antrag wurde bislang noch nicht entschieden. Die Gemeinderäte des Landkreises und der Kreistag unterstützten diesen Antrag.

 

Am 25.04.2023 erließ die Staatsregierung die Bayerische Wolfsverordnung, welche zum 01.05.2023 in Kraft getreten ist. Mit der Verordnung sollen im Interesse der Gesundheit des Menschen Ausnahmen für die Vergrämung und die Entnahme von verhaltensauffälligen Wölfen erleichtert werden. Weiter soll die Verordnung Ausnahmen von den artenschutzrechtlichen Verboten in den ausgewiesenen nicht schützbaren Weidegebieten sowie in nicht zumutbar zäunbaren naturräumlichen Untereinheiten erleichtern. Mit der Verordnung zur Ausführung der Bayerischen Wolfsverordnung vom 02. Mai 2023 (AVBayWolfV) wurden die nicht schützbaren Weidegebiete und nicht zumutbar zäunbare naturräumliche Untereinheiten festgelegt.

 

Für den Vollzug der BayWolfV ist die untere Naturschutzbehörde zuständig. Die untere Naturschutzbehörde prüft daher im Rahmen einer Einzelfallentscheidung das Vorliegen der Voraussetzungen der Maßnahmen aufgrund der BayWolfV.

 

Dies wurde für erforderlich erachtet, um eine schnelle und ortskundige Reaktion zu ermöglichen.

 

Die Bayerische Wolfsverordnung hat die Verantwortung jetzt von den Regierungen auf die Unteren Naturschutzbehörden verlagert. Allerdings nur für die vom Staat als nicht zumutbar schützbar bezeichneten Bereiche.

Die Verordnung wirft zahlreiche rechtliche und organisatorische Fragen auf, die wir im LRA mit Hochdruck zu lösen versuchen. Die Situation wird zusätzlich kompliziert, weil wir noch nicht wissen, ob und wie unser beantragtes Weideschutzgebiet genehmigt wird und wie die beiden Rechtsinstrumente miteinander zusammenhängen. Außerdem wurde die WolfsVerordnung beklagt.

 

Wir arbeiten deshalb weiter auf allen Ebenen, um die Behörden und Verbände über die Folgen der Wolfsausbreitung für den Alpenraum hat. Dabei erklären wir allen auch die Folgen für den Naturschutz selbst, denn viele Arten und Lebensräume, ja ganze Landschaften und Schutzgebiete sind von der Fortsetzung der Weidenutzung abhängig.

Dies erklären wir zur Zeit den Behörden und Verbänden, wobei die Ministerien in Berlin bei unserem Besuch vor wenigen Tagen sich schwer betroffen zeigten und anerkennend festgestellt haben, dass Ihnen das so noch nie erklärt wurde. Auf dieser ökologischen Begründung beruht auch der Antrag des Landkreises auf Einrichtung eines Weideschutzgebietes.

 

Ich habe vor wenigen Tagen auch zusammen mit dem Landrat von Rhön-Grabfeld einen Brief an die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz geschrieben und ausführlich begründet, warum der Projekterfolg der beiden Naturschutzprojekte in der Rhön und im Murnauer Moos jetzt nachträglich in Frage gestellt ist, wenn sich an der aktuellen Wolfspolitik nichts ändert. Die beiden Projekte waren damals mit hohen Millionenbeträgen von ihrem Haus gefördert worden.

 

Ich bin guter Hoffnung, dass auch in Berlin über kurz oder lang die Einsicht wächst, dass wir ein anderes Wolfsmanagement brauchen, im Interesse von Naturschutz und Landschaftspflege und auch im Interesse des Wolfes selbst

 

 

Zu den Anfragen von Frau Kreisrätin Christl Freier:

 

1.             Welche Antwort haben Sie auf Ihren Antrag bekommen?

 

Bisher liegt noch keine Antwort vor.

 

2.            Am 25.4.23 wurde von der Bayerischen Staatsregierung die Bayerische Wolfsverordnung (BayWolfV) erlassen.

Was bedeutet diese für unseren Landkreis?

 

Für Maßnahmen nach § 1 BayWolfV ist die untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt Garmisch-Partenkirchen unabhängig davon zuständig, wo im Landkreis das Ereignis stattfindet. Maßnahmen gegen schadensstiftende Wölfe nach § 2 BayWolfV sind in der Zuständigkeit der unteren Naturschutzbehörde, sofern das Ereignis in nicht schützbaren Weidegebieten oder nicht zumutbar zäunbaren naturräumlichen Untereinheiten gemäß der AVBayWolf stattfindet.

 

Einige Flächen im Landkreis sind nicht Teil der AVBayWolfV, so etwa im Ammertal und im nördlichen Landkreis. Für diese Flächen ist ohne Rückgriff auf die BayWolfV die Höhere Naturschutzbehörde zuständig.

 

Darüber hinaus bleiben weitergehende naturschutzrechtliche Vorschriften und tierschutzrechtliche Vorschriften unberührt. Bei entgegenstehender Schutzgebietsverordnung ist daher eine Befreiung notwendig.

 

3.            Welche Beutegreifer (Wolf, Goldschakal, Bär) sind gerade in unserem Landkreis nachgewiesen?

 

Wolf und Goldschakal sind nachgewiesen. Von Bär und Luchs gibt es unbestätigte und zum Teil ältere Beobachtungen.

 

4.            Wie viele und welche Tiere sind seit Herbst 2022 bei uns im Landkreis in den 4 Talschaften gerissen worden?

 

Es wurden 15 Rotwildrisse und 1 Biber genetisch nachgewiesen. Derzeit sind 3 weitere Proben in Bearbeitung. Bei 10 weiteren Wildtierrissen ist keine Auswertung möglich, laut Rissbegutachter ist ein Wolfsriss sehr wahrscheinlich. Einmal wurde ein Goldschakal und einmal ein Hund bestätigt.

 

5.            Wie erfolgte die Entschädigung der Tierhalter?

 

Wildtierrisse werden nicht entschädigt. Nutztierrisse vom Sommer 2022 wurden über das LfU entschädigt.

 

6.            Wie erfolgt die Analyse der Rissproben? Gibt es ein beschleunigtes Verfahren?

Die Erstdokumentation erfolgt durch hierfür ausgebildete Personen des Netzwerkes Große Beutegreifer. Bei uns im Landkreis sind dies Berufsjäger der BaySF. Für die genetische Analyse ist das Landesamt für Umwelt zuständig. Ein beschleunigtes Verfahren gibt es nicht.

7.             Wer kann uns im Landkreis über praktische Erfahrungen mit wolfssicheren Zäunen, Nachtpferchen und Behirtung informieren? Ist hierzu eine Information im Kreistag angedacht? Dies würden wir begrüßen, um dann gemeinsam auf einer gut informierten Sachstandsbasis ggf. weitere Entscheidung treffen zu können.

 

Eine spezielle Beratungsstelle im Landkreis gibt es nicht. Informationen können bei den Almbauernvertretern, dem Bauernverband und der Naturschutzbehörde eingeholt werden.

 

8.                 Wann und wie erfolgt eine seriöse sachlich/fachliche Information der Landkreisbevölkerung zum Leben in einer Wolfsregion und dem richtigen Verhalten diesem Wildtier gegenüber? (Zentral, in den vier Talschaften, als öffentliche Veranstaltungen, in Presse, Radio oder den Sozialen Medien?)

 

Zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit ist das LfU. Dieses betont stets die prinzipielle Ungefährlichkeit des Wolfes für den Menschen. Entsprechende Informationen finden sich auf dem Internetauftritt des LfU.

 

9.            Im „Aktionsplan Wolf“ werden die berechtigten Belange von Tierhaltern wie in unserer Landschaft immer wieder angesprochen und die Notwendigkeit von Öffentlichkeitsarbeit betont. Daher sollten endlich praktikable Schritte zur Koexistenz mit dem Wolf abgestimmt werden, was auch eine notwendige Entnahme von Tieren, die die Scheu vor Mensch und Nutztieren verloren haben, einschließt.

Geld für entsprechende Informationsmaßnahmen sollte vom Umweltministerium bereitgestellt werden.
Welche Maßnahmen sind hier konkret bei uns geplant?

 

Artenschutz ist Staatsaufgabe. Für den Aktionsplan Wolf ist das Landesamt für Umwelt zuständig.